Süß wie Schattenmorellen
Dipl.-Bibliothekarin Ramona Kratz
Stadtbibliothek Geithain vom 29.06.2011
Zwei halbwüchsige Mädchen sind die Hauptfiguren des neuen Romans Süß wie Schattenmorellen von Claudia Schreiber.
Annie lebt mit Mutter und Großvater auf dem Land. Das Zentrum ihres Universums ist die Kirschplantage. Die Familie lebt zwar eher schlecht als recht davon, aber für Annie ist es Rückzugsort und Lebensaufgabe in einem. Sie kann sich frei und ungezwungen bewegen. Die Jahreszeiten bestimmen ihren Tagesablauf. Zur Schule geht sie auch, ja. Aber das Sein mitten in Natur und dörflicher Gemeinschaft beschäftigt sie voll und ganz.
Die Kirschen werden reif, die Ernte steht bevor. Als ein kurzer, aber heftiger Hagelschlag einen Teil des erwarteten Ertrags zerstört, sucht Annies Mutter entnervt das Weite. Sie setzt sich kurz entschlossen nach Griechenland ab, zur Erholung. Schließlich ist ja der Großvater noch da. Dieser beschließt allerdings auch grad eben, sich mit seiner jungen Geliebten auf Reisen zu begeben. Wer weiß wie lange Mann das noch kann!
Und Annie kommt doch wunderbar zurecht oder? Natürlich versucht sie das auch, aber die Erkenntnis des Alleinseins verstört das junge Mädchen zutiefst. Sie flieht in die Hütte in der Kirschplantage. Im Wohnhaus schaut sie nur alle paar Tage mal rein.
… hat sich da was bewegt im Haus? Der Kühlschrank ist auch leer, die Vorräte geplündert, Schritte im oberen Stock!
Es hat sich jemand eingenistet im verlassenen Haus. Ein Mädchen kaum älter als sie, verstört und offensichtlich krank. Obwohl das fremde Mädchen sehr verschlossen und abweisend ist, rührt seine Hilfsbedürftigkeit Annies Herz. Sie sorgt sich und pflegt, füttert und steht dessen Schmerz doch hilflos gegenüber. Mehr als den Namen Paula erfährt sie nicht.
Als sie sich schon entschließt gegen Paulas Willen einen Arzt anzurufen, kommt plötzlich und von beiden gänzlich unerwartet – ein kräftiger Junge zur Welt. Der erste Moment ist für Annie einfach nur schockierend, dann besinnt sie sich auf ihre Beobachtungen in Natur und Stall. Instinktiv macht sie alles richtig, aber was soll nun werden?
Nun könnte dieses eine Geschichte über vernachlässigte Kinder sein und klingt nach Erfahrungsbericht, ist aber nichts weniger. Das Büchlein ist von einer Poesie getragen, wie es nur wenige Autoren wirklich beherrschen.
Claudia Schreiber kann. Ihr Emmas Glück ist ja auch einer der schönsten Romane deutschsprachiger Literatur.
Ganz ein wenig abgehoben, nicht von dieser Welt und dabei so urwüchsig bodenständig, macht dieses Buch richtig lesevergnügt.
1958, am 30.Juli als Claudia Klemme geboren, als viertes von fünf Kindern.Die Eltern waren Landwirte, Obstbauern und später Konservenfabrikanten.
Später arbeitete sie als Redakteurin, Reporterin und Moderatorin beim Zweiten Deutschen Fernsehen in Mainz und baute die Kinder-Nachrichtensendung "logo!" mit auf. Seit 1998 lebt und arbeitet sie in Köln.